Blick nach vorn
Im Interview spricht Dr. Kristina Dmoch-Bockhorn über ihre Diagnose, Behandlung und ihren Umgang mit einem neuroendokrinen Tumor der Bauchspeicheldrüse.

Wann und wie wurde bei Ihnen der neuroendokrine Tumor diagnostiziert?
Meine Diagnose erhielt ich vor über drei Jahren. Es war ein Zufallsbefund, denn im Rahmen eines MRT sollten plötzliche, starke Rückenbeschwerden untersucht werden. Entdeckt wurden dabei aber Auffälligkeiten an Bauchspeicheldrüse und Leber, die gar nichts mit meinen Rückenbeschwerden zu tun hatten. Nach umfangreicher Diagnostik stellte sich heraus, dass es sich um einen neuroendokrinen Tumor (NET) der Bauchspeicheldrüse mit Metastasen in der Leber und befallenen Lymphknoten handelte.
Wie haben Sie auf diese Diagnose reagiert?
Es war ein Schock. Ich hatte nie von dieser Krebsart gehört und Angst, dass meine Zeit begrenzt sei. Sehr beunruhigend fand ich auch, dass es außer Symptomen, die man allgemein mit Wechseljahren verbindet, überhaupt keine Anhaltspunkte für eine Erkrankung gab. Mein Ärzte-Team erklärte mir, dass neuroendokrine Tumoren oft langsam wachsen und es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten gibt. Das hat mir Hoffnung gegeben.
Für welche Behandlung haben Sie sich entschieden?
Ich wurde operiert und der Tumor entfernt. Seitdem bekomme ich eine Behandlung mit einem Somatostatin-Analogon, welches mir monatlich injiziert wird. Leider konnten aufgrund ihrer Lage nicht alle Lebermetastasen entfernt werden. Nach einem Jahr wurde aufgrund ihrer Vergrößerung noch eine spezielle nuklearmedizinische Behandlung, die Peptid-Radio-Rezeptor-Therapie (PRRT), nötig. Seitdem bleiben die Metastasen stabil.
Wie wichtig waren während dieser Zeit emotionale und medizinische Unterstützung?
Das war und ist extrem wichtig. Meine Eltern und Kinder, mein Bruder mit Familie und meine Freunde haben mich unglaublich unterstützt und mir in schwierigen Momenten Kraft gegeben. Auch die positive Kommunikation mit den behandelnden Ärzten, ihre Empathie sowie Einbindung in die Entscheidungsfindung waren für mich sehr hilfreich. Es ist wirklich wichtig, auf allen Ebenen ein gutes Team um sich zu haben.
Und wie sieht Ihr Leben heute aus?
Ich habe gelernt, mit der Krankheit zu leben. Natürlich gibt es Einschränkungen und regelmäßige Kontrolluntersuchungen. Aber ich versuche, mich als alleinerziehende Mutter nicht nur auf die Krankheit zu fokussieren, und kann auch wieder arbeiten. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen in einem Selbsthilfeverein, in dem ich selbst aktiv bin, ist ungemein wertvoll. So funktioniert der Alltag ganz gut. Aufgeben war nie eine Option für mich!
Schon gewusst?
Neuroendokrine Tumoren (NET) sind seltene Tumoren, die aus hormonbildenden Zellen entstehen und meist selbst Hormone, Überträger- oder Botenstoffe produzieren. Sie können in nahezu allen Organen auftreten, besonders häufig jedoch in Magen-Darm-Trakt, Bauchspeicheldrüse, Schilddrüse oder Lunge. In der Lunge sind sie beispielsweise für etwa ein Prozent aller bösartigen Erkrankungen verantwortlich.
Jedes Jahr erkranken etwa drei bis fünf von 100.000 Menschen neu an solchen hormonbildenden Tumoren. Damit gehören NET zwar zu den Seltenen Erkrankungen. Allerdings ist die Zahl der registrierten Neuerkrankungen in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gestiegen. Dies könnte aber auch auf die besseren Diagnosemöglichkeiten oder das steigende Bewusstsein für die Erkrankung zurückzuführen sein. Noch immer ist die Diagnose von NET aber oft ein Zufallsbefund, denn die Beschwerden sind vielfältig und unspezifisch. Einmal erkannt und analysiert, werden NET meist mit einer Kombination ganz unterschiedlicher Behandlungsmethoden angegangen: Neben der operativen Entfernung des Tumors können Hormontherapien, molekular zielgerichtete Therapien, aber auch Chemotherapien oder Peptid-Radio-Rezeptor-Therapien (PRRT) zum Einsatz kommen. Daneben gibt es aber auch die Möglichkeit, den Tumor oder Metastasen zum Beispiel über den künstlichen Verschluss einer Arterie von der Blutversorgung abzuschneiden und so zu zerstören oder mithilfe von Hitze, Kälte oder Ethanol abzutöten.
